Woche 5 - Ankommen

33. Tag - Mittwoch, 20.06.2018

Im Verborgenen

„Auf zu frischen Taten!“, verkündet Trude am Morgen. Sie hat sich offenbar gut erholt und will auch vor „wilden Wegen“ nicht zurückschrecken. „Es geht durch die Wüste“, stimmt Klaus uns auf die heutige Etappe ein, die weiter durch den Taunus zum Naturpark Nassau führen wird.
Er hat recht: wir pilgern durch endlose Wälder und Flure, ohne irgendwelchen Leuten zu begegnen. Diese Abgeschiedenheit passt gut zum heutigen Tagesevangelium. Jesus empfiehlt, Gutes zu tun: teilen (Almosen geben), fasten und beten, und zwar im Verborgenen. Andere müssen gar nicht mitbekommen, dass ich das tue. Und ich brauche mir keine oder nicht allzu viele Gedanken machen, ob ich genug Anerkennung dafür erhalte. Es genügt, dass Gott im Verborgenen da ist und um mich weiß.
Auch am heutigen Tag lassen wir uns von einem Wort von Mutter Cherubine begleiten: „Wenn Du zu Ihm Deine Zuflucht nimmst, so denke, dass der liebe Gott der Lenker der Herzen und der Geschicke ist, und dass er auch deine Wege ebnen und zu einem glücklichen Ziel führen wird.“

Neu zu uns gestoßen ist Christian aus Emmerich. In der Eingangsrunde sagt er, dass er seinen Eltern dankbar ist, weil sie ihm den Glauben vermittelten, und dass er heute für sie gehen möchte.
Michael Toth bittet von Arenberg aus, dass wir für die Menschen beten, die zurzeit in Arenberg und auf der Insel Wangeroge Exerzitien machen.
Elke und Stephan, die uns vor ein paar Tagen begleiteten, haben uns geschrieben und uns das Leiden einer Freundin anvertraut. Ja, es kommen wieder etliche Anliegen zusammen, so auch die Bitte für Heike, die um ihre Gottesbeziehung kämpft, und das Gebet für einen jungen Mann, der vorhat, aus der Kirche auszutreten.
Klaus sagt: Gestern waren die Feinde dran, heute möchte er für seine Freunde gehen. Mit diesem Gepäck und viel Sonnenschein dürfen wir also durch die „Wüste“ gehen, durch eine sehr grüne Wüste, denn es gibt heute ganz viel Wald.
Zwei von uns entdecken plötzlich eine dunkelrote Oase. Unter all den Laub- und Nadelbäumen sehen sie ein paar Kirschbäume. Die Äste hängen voller Früchte und sind gut zu erreichen. Gerne teilen sie diese Almosen der Schöpfung mit den Mitpilgern. Bereits vorgestern gab es beim Frühstücksbüffet Kirschen, aber im Wald, gratis und mit anderen geteilt, schmecken sie dreimal so gut.

Fasten scheint heute nicht wirklich angesagt zu sein. Als wir auf dem Friedhof von Maudershausen unsere Mittagsrast machen, kommt Schwester Johanna mit dem Auto hinzu. Wir sagen zum Spaß: „Der Eiswagen ist da“. Und siehe da, es stimmt: Johanna hatte tatsächlich Eis besorgt! Da sie großzügig einkaufte und Inge, die auf dem Pilgerweg bewusst auf Süßes verzichtet, ihr Eis verschmähte, mussten manche mehrfach ran.

Am Nachmittag führt unser Weg recht steil und lange nach oben und, weil wir ein wenig abkürzen wollen, auch über Stock und Stein. Trude, immer noch 84 Jahre jung und zu allem bereit, ist sehr tapfer. Doch 3 Kilometer vor unserem Etappenziel, als sich ein ebenso fordernder Abstieg anbahnt, nimmt sie, mit ein paar Tränchen in den Augen, das Angebot an, sich von Johanna im Auto nach Balduinstein, zu unserem Zielort bringen zu lassen.
Ihr Sohn Matthias tröstet und begleitet sie dabei. Ist das für sie eine Niederlage? Für uns – wir Jüngeren haben gut reden – ist es Größe, loslassen zu können und kürzer zu treten, wenn dies geboten ist, so schmerzlich das mitunter sein mag. In unser Abschlussrunde sagt Walburga, die heute lange an der Seite von Trude gegangen war, dass ihr das langsamere Tempo sehr gut getan habe, dass diese Entschleunigung dazu beigetragen habe, dass ihre heilsamen Prozesse vom Vortag heute eine sehr gute Fortsetzung gefunden haben.
Wir stehen dabei um den Taufbrunnen der Pfarrkirche. Als wir den Küster, der freundlicherweise für uns die eigentlich schon abgesperrte Kirchentür geöffnet hatte, am Ende fragten, ob er uns ein Anliegen mitgeben möchte, sagt er: die Gesundheit seiner Familie. Wir fragen, ob es ernst ist. Es kommen ihm die Tränen. „Ja, sehr ernst“. Wir werden ihn und seine Lieben morgen mit auf den Weg nehmen.
Endlich kommen wir im Hotel „Lahnblick“ an und erfreuen uns an dem wunderbaren Ausblick. Auf der Terrasse klingt unser stiller, grün-roter und anstrengender Tag in froher Runde aus.

Morgen dürfen wir uns mit dem Vaterunser und nochmal mit dem Thema Vergebung befassen (Mt 6,7-15).

Wir werden damit auf den Höhenzügen des Lahntals unterwegs sein. Unser Gesamtziel ist schon greifbar nahe. Nur noch zwei Tage. Arenberg, wir kommen!

 

Der Herr wird auch deine Wege ebnen und zu einem glücklichen Ziel führen

Mutter M. Cherubine