Woche 5 - ANKOMMEN

35. Tag - Freitag, 22.06.2018

Deo gratias !

So Gott will, werden wir heute Arenberg, unser 35. und letztes Etappenziel, erreichen.
Wir werden endlich ankommen. Aber das Ankommen schieben wir erst mal noch beiseite. Statt mit den Gedanken schon zum Ziel und darüber hinaus zu wandern, wollen wir uns auch heute vor Augen halten, worauf es ankommt. Bei Gott ankommt.
Im heutigen Tagesevangelium (Mt 6,19-23) hören wir: „Sammelt euch Schätze im Himmel ... Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“
In Stille gehen wir mit der Frage, welche Schätze wir in diesen Pilgertagen erhalten haben oder uns neu bewusstgeworden sind. Wer mag, kann sich heute, am letzten Tag, auch die Frage stellen, was man tun würde, wenn man nur noch einen Tag zu leben hätte – das ist eine bewährte klösterliche Strategie, um dem auf den Grund zu kommen, was wirklich wichtig ist im Leben und vor Gott. Wir stimmen uns ein mit dem Lied „Du willst die Fülle des Lebens mir geben. Du bist der Weg und die Wahrheit, das Leben.“
Als wir mit diesem Impuls am Morgen in der evangelischen St. Kastor in Dausenau, die ein echtes Kleinod ist, beginnen, ist unsere Pilgergruppe auf 22 Personen angewachsen.
In Bad Ems, das wir über einen Höhenweg mit spektakulären Blicken auf das Lahntal erreichen, kommen weitere 11 Tagespilger dazu. Darunter auch Eva Brennecke, die heute ihren 52. Geburtstag begeht, ja mit uns be-geht, und zu Tränen gerührt ist, als wir ihr ein Geburtstagsständchen darbringen. Heute ist ein Tag der Tränen. Es gibt Freudentränen und Tränen der Wehmut. Auch der Himmel ist ganz wehmütig, meist wolkenverhangen und grau-schwarz, und mittags fallen auch ein paar Tröpfchen.


Eva und alle anderen Neupilger werden in unserem „goldenen Pilgerbuch“ verewigt, in dem nun 76 Namen stehen. Nr. 70 ist Schwester Gertrud. Das passt prima, denn sie ist vor kurzem 70 Jahre alt geworden. Ohne sie wäre unser Pilgerweg nicht möglich gewesen. In unzähligen Telefonaten und Emails hatte sie zusammen mit Schwester Johanna für all unsere Pilgertage Unterkünfte und vieles mehr organisiert und diese mit Klaus Winterhalter, der seinerseits unendlich viele Stunden an der ganzen Wegführung gebastelt hatte, an die Tagesetappen angepasst und umgekehrt. Ja, heute ist auch ein Tag des Dankes und der Würdigung.



Wie immer sind mit uns auch an diesem Tag viele andere unterwegs: Menschen, die wir mit ins Gebet nehmen. Heute gehen wir für Sr. M. Scholastika, die wie Mutter Cherubine aus Rickenbach/Schweiz stammt und als Generalpriorin ihre aktuelle Nachfolgerin ist. Wir wollen für Jessica beten, die vor 2 1/2 Jahren ihr Baby in der Schwangerschaft verloren hat und nach wie vor sehr traurig ist. Und auch für alle, die gerne mit uns gegangen wären, aber aus welchem Grund auch immer nicht mitgehen konnten.
Einer von uns erzählt von einer guten Bekannten, die ihm, als er ihr sagte, er werde pilgern gehen, am Telefon spontan einen irischen Reisesegen mitgegeben, gesungen hat. Er wird die heutige Etappe besonders ihr widmen.
Wir wissen inzwischen, dass unser Blog von ganz vielen Menschen gelesen wird. Uns ist bewusst: Es waren nicht nur 76 Pilger unterwegs, sondern wir sind eine ganz große Pilgergemeinschaft. Zu dieser gehört auch Henriette, die gerne in Kloster Arenberg weilt und uns folgende Botschaft zukommen ließ: „Die Idee mit dem Pilgerweg finde ich wunderbar. Ich hatte nach der Rückkehr aus dem Kloster nichts Eiligeres zu tun, als mir den PC entsprechend einrichten zu lassen und täglich in Gedanken mit zu wandern; die Landkarte immer neben mir. Ich habe Gedanken, Gebete, Fotos und Erlebnisse auf mich wirken lassen, die so eindrucksvoll geschildert waren, als wäre ich selbst dabei. Es hat mich sehr berührt. Jetzt halte ich täglich meinen „Pilgerimpuls“ und bete für alle, dass Sie gut weiterkommen ... Ich wünsche allen Mitpilgern Gottes Segen und eine gute Ankunft am Ziel. Wie schön, dass es eine Schwester Cherubine gab, die das Kloster gründete, das heute zu einem Ort der Geborgenheit für mich geworden ist.“
Was wird Henriette wohl machen, wenn der Pilgerweg nun zu Ende geht? Wie wird es uns selbst gehen, wenn wir gleich ankommen, wenn wir uns verabschieden, loslassen müssen und dann der Alltag beginnt? Diesen Fragen gehen wir in der Nachmittagsstille nach. Wie gut zu wissen, dass wir erwartet, empfangen werden und dass unser Pilgerweg in das Festwochenende der Ordensgemeinschaft münden wird.
Ja, es ist gut, das, was war, auch und gerade wenn es zu Ende geht, festlich zu würdigen.

Gegen 16 Uhr werden wir dann tatsächlich in Arenberg empfangen. Auf dem Weg dahin pflücken zwei Pilgerinnen am Wegesrand hier und da ein paar Blüten, und wir schmücken damit unser Kreuz, unser liebes Kreuz, das wir immer mit uns getragen haben, mit dem wir unser eigenes Kreuz verbunden haben und das uns so viele wertvolle Begegnungen beschert hat!
Uns ist klar: Auf den letzten Metern, die Einfahrt zum Kloster hoch, müssen Inge und Walburga, unsere beiden Langzeitpilgerinnen, das Kreuz tragen. Unser Tempo verlangsamt sich. Jemand spricht von „Trauerzug“. Stimmt, es geht die Wehmut mit. Und die Würde. Es liegt etwas Großes in der Luft. Es sind heilige und frohe Momente, die wie in Zeitlupe verlaufen.

Schon von weitem hören wir die Glocken des Mutterhauses, die uns begrüßen und zu Beginn der Auffahrt werden wir von einer Menschenschar, darunter viele Schwestern, empfangen. Auf halber Höhe kommt uns Schwester Scholastika entgegen und begrüßt uns aufs Herzlichste. Mit ihr und vielen anderen ziehen wir in die Mutterhauskirche und stimmen „Großer Gott, wir loben dich an“.
Den Chronisten - und wie er sieht, geht es andern ähnlich – packen nun die Tränen, große Freude und tiefe Dankbarkeit, so dass die erste Strophe kaum mitgesungen werden kann.
Auch Schwester Scholastika ist sehr bewegt, als sie den Pilgern dankt und sagt, dass heute auch Cherubine eingetroffen sei.
Pünktlich zum großen Ordensfest an diesem Wochenende ist nämlich eine Skulptur der Ordensgründerin angekommen, die von einer Schwester in Bludenz geschaffen worden ist. Es ist, als wäre Cherubine, auf deren Spuren wir fünf Wochen lang gewandert sind und die uns durch viele Aussprüche von ihr und Erzählungen über sie sehr vertraut geworden ist, mitten unter uns.
Die Skulptur wirkt sehr lebendig und sympathisch. Schwester Scholastika erkennt in der Figur die Zerbrechlichkeit und zugleich die enorme innere Stärke, die Mutter Cherubine zu eigen war.
Das Vögelchen in Cherubines Hand spiegelt ihre Hingabe an die Schwachen und Kleinen wider, die heilende Liebe, welche ihr Leben kennzeichnete. Diese heilende Liebe ist den Arenberger Dominikanerinnen auch nach 150 Jahren ein bleibendes Vermächtnis. Und den Pilgern auch.

Schwester Scholastika, die Nachnachnachnachnachnachnachnachnachnachnachnachnachnachnachnachfolgerin von Mutter Cherubine formuliert dieses Charisma und diese Aufgabe in poetischer Form: Liebe ohne Grenzen fließt ins Herz und GOTT durchflutet mich heilend.

Danke Mutter M. Cherubine! Danke Scholastika! Und vor allem: Deo gratias – Gott sei Dank!

Siehst du den Faden auch nicht enden, so birgt ihn Gott in seinen Händen.

Mutter M. Cherubine