Ansprache zur Professerneuerung von Sr. M. Christina

Uns wurde das Wort des Heils gesandt.

liebe Schwester M. Christina,
darin dürfen wir unser Leben finden, unsere Berufung.

Du wiederholst morgen Dein JA zu unserer Lebensform,
Dein JA zu diesem intensiven Unterwegssein mit GOTT und für IHN,
Dein JA zu unserer Gemeinschaft, so, wie sie sich täglich zeigt,
wir sagen JA zu Dir und Deiner Einzigartigkeit.

Und immer ist Dein JA auch ein JA zu Dir selbst:
DU, erwählt vor der Erschaffung der Welt.
Getragen, durchdrungen und erlöst von diesem Wort des Heils!
Das ist unser Glaube, das ist das unerhörte Wunder.

Da hat EINER vor aller Zeit JA zu Dir gesagt,
und darin geschah Schöpfung, und so geschieht sie bis heute.
Du bist und Du wirst durch seine Liebe.
Du wirst „gemacht“.
Bis in den Tod hinein.

Liebe Schwester M. Christina,
Dein Weg mit seinem Wort des Heils, auch der Weg mit uns
hilft Dir, Deiner eigenen Wahrheit nahe zu kommen,
hilft, IHM, GOTT, nahe zu kommen:
Ihn tiefer und tiefer erkennen zu dürfen.

Wir hörten in der Lesung:
„Die Einwohner von Jerusalem und ihre Führer haben ihn nicht erkannt!“
Schauen wir von ihnen auf uns:
Es ist uns nicht fremd: es gibt dieses Nicht-Erkennen-Können
und auch das Nicht-Erkennen-Wollen,
weil Erkanntes uns zu stören vermag, es uns herausholt aus unserer Sicherheit,
aus dem Gewohnten.

Erkennen ist viel viel tiefer als nur sehen, wahrnehmen,
viel mehr als rationales Begreifen.
Erkennen ist umfassender als alle Erfahrung.

DU, liebe Schwester M. Christina,
bist eine von GOTT durch und durch Erkannte,
und aus diesem Geheimnis wirst Du auch IHN mehr und mehr erkennen dürfen.

Was braucht es dazu?
In zwischenmenschlichen Beziehungen ist es doch so:
je offener wir füreinander sind, je weniger Vorurteile, Erwartungen oder feste,
oft selbstgemachte Bilder zwischen uns sind,
umso tiefer kann das gegenseitige Erkennen werden.
Wir sind als Ganzes, mit Leib und Seele, beteiligt,
wir werden im Innersten berührt.

Wenn die Heilige Schrift von „Erkennen“ spricht,
meint sie einen ganzheitlichen Offenstand,
ein ganzheitliches Zuwenden und Hinwenden. Meint sie Liebe.

Vielleicht darfst Du, Schwester M. Christina,
solche Momente in Deinem Beruf erfahren:
die Arbeit mit Deinen Händen greift viel tiefer als nur die Berührung der Haut,
Du erkennst einen Schmerz, einen Kummer,
Du erfasst den Menschen als Ganzer, auch wenn Du nichts von ihm weißt.
Es kommt etwas ins Fließen – es geschieht Heilung,
und auch Du wirst dadurch vielleicht heiler.

Du erzähltest mir letzthin:
es gibt Therapien im Vitalzentrum, die ermüden Dich nicht.
Da ist Fluss, da ist Selbstvergessenheit und doch volle Präsenz.

Ist es nicht ein starkes Bild im Umgang mit dem Wort GOTTES,
das uns als Dominikanerinnen auf ganz besondere Weise ans Herz gelegt ist?
Im Kauen der Worte GOTTES, erfassen wir tiefer eine Spur vom Wesen GOTTES: es vermag uns zu verändern.
Das Wort ist nicht etwas, das nur ein Gegenüber bleibt,
sondern erfasst uns im innersten Grund und lässt uns nicht im Alten, Gewohnten.
Wir verstehen nicht alles und doch ist alles irgendwie da.

Der Prophet Jeremia lässt uns GOTT hören:
„Ich gebe ihnen ein Herz, damit sie erkennen, dass ich der Herr bin.
Sie werden mein Volk sein und ich werde ihr Gott sein.“  (Jer 24,7)

Noch einmal: Dieses Erkennen ist Ausdruck einer tiefen Weisheit,
die uns in der Nähe GOTTES,
auf einem langen Weg mit IHM, geschenkt werden kann.
Du, liebe Schwester M. Christina, willst mit IHM sein. Willst IHN lieben.
Als Geliebte IHN lieben lernen.
In hellen und dunklen Tagen.

So heißt es doch im 1. Korintherbrief:
Wir verkündigen:
„was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat,
was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist:
das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.“ 1 Kor 2,9

Liebe Schwester M. Christina,

der hl. Paulus lässt uns teilhaben an seiner leidenschaftlichen Suche
nach der Wahrheit. Er bekennt,
was ihm damals ein Gewinn war, das hat er um Christi Willen als Verlust erkannt.

Er sieht alles als Verlust an, weil die Erkenntnis Christi Jesu, seines Herrn,
alles übertrifft. Seinetwegen hat er alles aufgegeben,
um Christus zu gewinnen und in ihm zu sein.
Christus will er erkennen!

Dein Bekenntnis, Dein JA, das Du morgen sprichst, liebe Schwester,
ist auch ein JA zu dieser leidenschaftlichen Suche,
die nicht Haben bedeutet, sondern Wachsen,
nicht Besitzen, sondern Glauben.

Wir bekennen ja nicht:
Ich erkenne GOTT, den Allmächtigen, den Schöpfers des Himmels und der Erde,
sondern in aller Einfachheit: Ich glaube an GOTT!,
und das bedeutet schlicht, das Herz geben in das ganz konkrete Leben hinein,
in alles Ungewisse, Dich festmachen in Christus, den Du nicht hast,
Dich einbinden lassen in eine Gemeinschaft, die so zerbrechlich geworden ist
und die das Morgen nicht in Händen hat.


Wir wünschen und erbeten Dir ein wachsendes Erkennen der Liebe GOTTES
in Deinem und unserem gemeinsamen Leben,
seine Liebe in dieser Welt, wo sie so oft verborgen bleibt.

Du, liebe Schwester M. Christina, lässt Dich neu rufen und Du willigst ein in seine Liebe. Die Erneuerung Deiner Profess morgen trägt etwas Unverbrauchtes.
Seine Liebe zu Dir, Deine Liebe zu IHM: ein einzigartiger Weg.

Christus zeige Dir den Weg des tieferen Erkennens. Tag für Tag mehr
Sei Du Ton in seinen Händen, lass es zu, dass Du wirst,
dass Du DU wirst, nach seinem Bild.