Woche 2 - Einlassen

11. Tag - Dienstag, 29. Mai 2018

 

Silence first

„In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand Jesus auf und ging an einen einsamen Ort um zu beten.“
- nach einem üppigem Frühstück im Kloster der Claretiner beginnen wir die 11. Etappe unserer Pilgerreise auf dem höchsten Punkt des Dreifaltigkeitsberges. Daniel Blättler lädt uns in seinem Morgenimpuls dazu ein, dass wir uns am heutigen Tag in besonderer Weise auf die Stille einlassen. Er greift Gedanken auf von Lorenz Marti, der die „Schwätzer“ den „Schweigern“ gegenüberstellt: „Manchmal lohnt es sich, seine Worte auf die Goldwaage zu legen.“

Das nehmen wir uns selbst zu Herzen, wir beten aber auch für die Menschen, die sich danach sehnen, der Stille und dem Schweigen im ihrem Leben mehr Raum geben zu können. Wir denken auch an unsere Priester, besonders an Kaplan Toth, unsere beiden Mitbrüder und alle, die in den letzten Monaten geweiht wurden, und beten, dass ihre Worte und ihr Wirken aus der Stille ihre Kraft empfangen dürfen.
Anna hat uns per Mail darum gebeten, dafür zu beten, dass ein Buch ihrer Freundin zum Segen wird. Dieses Anliegen greifen wir gerne auf und beten gleichzeitig auch um das Gelingen des Buchprojektes von Sr. Ursula und Mirko Kussin.
Außerdem beten wir heute auf unserem Weg für unsere verletzte Welt, die so dringend der Heilung bedarf. Silence first – wie würde sich wohl das Antlitz unserer Erde verwandeln, wenn dieser Gedanke auch in die Herzen gewisser Präsidenten Einzug hielte? fragen wir und schmunzeln ein wenig. Doch zunächst einmal kehren wir selbst vor unserem Abmarsch noch einmal in die Dreifaltigkeitskirche zurück, setzen uns unter die Kuppel und bleiben einige Minuten im Schweigen.

Unser heutiger Pilgerweg beginnt mit einem steilen Abstieg ins Neckartal. Schon am Morgen können wir das Ziel unserer heutigen Etappe in den Blick nehmen, welches bereits am Horizont erkennbar ist: In der Ferne sehen wir den 246 m hohen Thyssenkrupp-Testturm in Rottweil. Als wir von Klaus hören, dass es auf der Aussichtsplattform dieses Turmes sogar ein Café gibt, beginnt bei einigen von uns nach fast 10 km Wanderweg das Kopfkino: „Vielleicht schaffen wir es ja rechtzeitig…“ „Vielleicht gibt es dort ja sogar Erdbeerkuchen mit Sahne?“ „Die Aussicht ist bestimmt herrlich…“ Doch wenige Minuten später ist klar: Das Café hat bis Donnerstag geschlossen. Schade.
Doch der Trost lässt nicht lange auf sich warten: Kurz vor der Mittagspause entdeckt Sr. Ursula am Straßenrand einen Stand mit frischen Erdbeeren und tauscht kurzerhand das Pilgerkreuz gegen ein (2 kg schweres!!) Erdbeerkörbchen, welches sie tapfer die kommenden 2 Kilometer bis nach Aixheim transportiert – wenigstens der leckere Nachtisch ist somit gesichert. Auf dem Weg beginnen wir etwas zu philosophieren: Ist es nicht verrückt, dass die eigentliche Früchte nur die winzig kleinen Nüsschen auf der Erdbeere sind und es den leckeren roten Teil eigentlich gar nicht bräuchte? Und ist es nicht verrückt, dass die Menschen aus so etwas ekligem wie der Kakaobohne köstliche Schokolade herstellen können? Oder dass schon seit tausenden von Jahren aus Hopfen und Malz Bier gebraut wird? Am Inhalt unserer Gespräche kann man erahnen: Wir haben Hunger!!

Gott sei Dank wartet in Aixheim bereits Sr. M. Johanna auf uns. Sie hat am Morgen schon Kontakt aufgenommen zu einigen überaus nette Gemeindemitgliedern, die uns sogar ihr Pfarrheim aufgesperrt haben, damit wir dort Mittagspause machen können. Wir fühlen uns pudelwohl, genießen allerlei Köstlichkeiten und sind dankbar für die saubere Toilette.

Nach der Mittagspause können wir uns in der Pfarrkirche von Aixheim versammeln, die bereits für Fronleichnam festlich geschmückt ist. Daniel Blättler stimmt uns mit einem weiteren Impuls zum Leben von Bruder Klaus in den Nachmittag ein. Bevor wir gehen, schließen wir noch Anja in unser Gebet ein, die uns über Sr. M. Scholastika ein Gebetsanliegen anvertraut hat und im Herzen mit uns pilgert.

Zum Wetter: Am Ende der Mittagspause verkündet uns eine freudestrahlende Sr. M. Ursula beim Blick auf die Wetter-App ihres Handys: Juchu, wir werden heute Nachmittag doch kein Gewitter mehr bekommen!!! Martin ist so beeindruckt, dass er sogar fast seinen Schirm ins Auto zurücklegt, aber Gott sei Dank nur fast. Denn kaum liegen die ersten Schritte hinter uns, verfinstert sich der heitere Himmel, und binnen Minuten setzt ein Starkregen ein, der vermuten lässt, dass in den himmlischen Höhen jemand zeigen will, wer der Herr auch über Wetter-Apps ist. Der Segen von oben ist so stark, dass wir binnen Minuten klatschnass sind, was unserer Stimmung jedoch keinerlei Abbruch tut.

Genauso schnell wie er gekommen ist, weicht der Regen schließlich wieder strahlendem Sonnenschein, wir lassen uns trocknen und freuen uns, dass der Thyssenkrupp-Testturm langsam in greifbare Nähe rückt. Nach insgesamt 24 km kommen wir am späten Nachmittag etwas müde aber sehr zufrieden in Rottweil an, wo wir nun die Nacht im ehemaligen Dominikanerkloster verbringen, welches inzwischen eine Jugendherberge ist.

Morgen machen wir uns auf den Weg mit dem Wort: Jesus rief seine Jünger zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Und die Wetter-App darf morgen mal schweigen ;-)

In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand Jesus auf und ging an einen einsamen Ort um zu beten

Markus 1, 35