Woche 5 - Ankommen

30. Tag - Sonntag, 17.06.2018

...auf kleinen Schwingen....

Als wir am Sonntag Morgen bei blauem Himmel, freundlichem Sonnenschein und angenehmer Brise in einer großen Gruppe von bis zu 16 Pilgern zu unserer Tagesetappe aufbrechen, haben wir gleich ein schönes Erlebnis: In einer Bäckerei in Frankfurt Sachsenhausen nahe unseres Startpunkts, der Deutschordenskirche, steuern wir eine Bäckerei an, um nach einer Toilette zu fragen. In der Bäckerei kauft gerade eine afrikanische Ordensfrau Brötchen ein, sieht unsere Gruppe, sieht das Kreuz, das wir mit uns tragen, sieht Sr. Johanna und freut sich riesig über diesen Anblick.
Sie kommt heraus, fragt nach unserem Pilgerweg und stellt sich als Mitglied der Gemeinschaft „Töchter der göttlichen Liebe“ aus Nigeria vor, die hier dem Deutschordenshaus angegliedert sind.
Sie nimmt uns mit hinauf in ihre Wohnung, wo wir von ihren Mitschwestern herzlich aufgenommen werden und ihr Badezimmer benutzen dürfen.
Wir erzählen von unserem Pilgerweg auf Cherubine Willimanns Spuren, und sie erzählen von ihrer Arbeit. Bevor wir uns trennen, erhalten alle Schwestern ein Pilgerarmband „150 Jahre Heilende Liebe“, das wir ihnen unter fröhlichem Lachen und Scherzen anlegen: Göttliche Liebe aus Nigeria verbindet sich mit Heilender Liebe aus Arenberg!

Bei einem ersten Impuls auf einer Wiese am Mainufer – passenderweise unter einem schattenspendenden Baum – hören wir, dass es mit dem Reich Gottes so ist, wie mit einem Senfkorn. Es ist das kleinste von allen Samenkörnern. Ist es aber gesät, dann geht es auf und wird größer als alle anderen Gewächse und die Vögel des Himmels können in seinem Schatten nisten.
Wir hören, dass Mutter Cherubine auch ihren Mitschwestern empfahl, das Evangelium in ihrem Leben in kleinen Schritten wahr werden zu lassen: „Man muss sich etwas Bestimmtes vornehmen, wenn es auch klein ist. Und das dann immer unverbrüchlich halten und sich durch nichts davon abhalten lassen. Dann kommt man voran“. (Rat von Mutter Cherubine an eine Schwester)



Wir werden eingeladen, beim nun folgenden Weg durch die Frankfurter Innenstadt diese Worte auf uns wirken zu lassen und schweigend auf Gottes Da-Sein zu horchen. Unser Streckenführer Klaus hatte uns schon bei der Begrüßung in der Deutschordenskirche darauf hingewiesen: Die heutige Etappe ist eine ganz ungewöhnliche, denn sie führt nicht durch die Natur, sondern über asphaltierte Wege und Straßen mitten durch die große Stadt Frankfurt.
Schon bald können wir erfahren, wie recht er damit hat. Unsere Gruppe erregt Aufsehen, wir fallen auf, wie wir gesammelt im Schweigen mit unserem Eichenkreuz durch die Hochhausschluchten und Parks ziehen. Fast jede und jeder, an denen wir vorübergehen, zeigt eine Reaktion.
Da sind einige, die schnell weggucken, weil sie uns nicht sehen wollen, oder die regungslos durch uns hindurchblicken. Viele aber reagieren freundlich – ein zustimmendes Nicken vom Autofahrer am Zebrastreifen, ein breites Lächeln eines Mannes auf einer Parkbank, der uns einen schönen Sonntag wünscht, ein freundlicher Gruß hier, ein ermutigender Blick da.
Eine Frau auf dem Weg zum Konzert, kramt hastig in ihrer Handtasche auf der Suche nach einem Segensgebet für uns. Kinder schauen uns mit großen Augen nach; Jugendliche sprechen uns an, was wir da tun und wir kommen mit ihnen ins Gespräch.
Ein Mann möchte das Kreuz berühren. Zahlreiche Reaktionen erleben wir, unsere Pilgergruppe mit dem Kreuz lässt kaum jemanden kalt. Der Weg durch Frankfurt ist vielseitig und interessant. Wir erleben auch viele Gegensätze – elegant gekleidete Paare hier, arme Obdachlose da, einmal stolze Banktower und großzügige Gründervillen, dann schmucklose Wohnblöcke.



Klaus führt uns geschickt auf grünen Wegen durch die Stadt, vorbei an kleinen und großen Parks, durch die Stadt.
Im Martin-Luther-King-Park halten wir dankbar Mittagsrast an einem kleinen See. Weiter geht’s, die Besiedlung wird dünner, nun geht es durch Wiesen und Felder, hinter uns die imposante Skyline von Frankfurt. Immer wieder legen wir Streckenabschnitte im Schweigen zurück, denken an die Geschichte von Jakob, der ein Gebet entdeckt, bei dem er nur immer wieder für sich spricht: „Ich bin da, du bist da, wir beide sind da“.
Das probieren wir auch aus. Im Schweigen beten wir auch für die Menschen, die uns ein Anliegen mit auf den Weg gegeben haben oder die wir im Herzen tragen. Auch wissen wir uns von Menschen begleitet, die selber nicht mitlaufen können, aber doch mit uns unterwegs sind.



Am Abend schmerzen die Füße, die Stadtwege waren hart! Aber wir sind erfüllt von den vielen Geschenken des Tages. Auf dem Weg werden wir gestärkt, schöpfen Hoffnung in vielen Belangen, freuen uns an dem Beisammensein und unserer Gemeinschaft.
Am Abend fordert die Fußball-Weltmeisterschaft ihr Recht. Im Biergarten des Schützenhofs von Kronberg verfolgen wir die Partie Deutschland-Mexiko mit und kühlen uns mit einem frischen Bier.

REALPRÄSENZ

Am blühenden Baum
Nicht achtlos vorüberhasten
Einen Augenblick lang
Stehen und staunen.

Den duftenden Kaffee
Nicht gedankenlos hinunterstürzen
Einen Schluck lang Schmecken und kosten

Die Stimmen in mir
Zum Schweigen bringen
Um ganz Ohr zu sein,
wenn du mir erzählst

Nicht im Vergangenen verbleiben
Nicht ins Künftige auswandern
Ganz hin und weg sein
Und darin ganz da

Leben
In der reinen Gegenwart
Sie ist Gottes

(Andreas Knapp)

Morgen pilgern wir von Kronberg nach Glashütten über den Feldberg. Dabei wird uns die Bergpredigt begleiten.

Mit kleinen Dingen, auf kleinen Schwingen, müssen wir Kleinen uns zum Himmel bringen

Mutter M. Cherubine