Woche 1 - AUFBRECHEN

4. Tag - Dienstag, 22.05.2018

 

Pilger herzlich willkommen

Gruppe Hörnli

Sanftes Geläut der friedlich grasenden Kühe weckt an diesem Morgen alle, die nicht vorher schon in Erwartung der aufgehenden Sonne aus dem warmen Bett in die klare Bergluft auf dem Hörnli gefunden haben. Am Abend konnten wir hier exklusiv den Sonnenuntergang erleben: Wir hatten die Berghütte ganz allein für unsere Pilgergruppe. Das Rundum-Panorama am Morgen weckt Erinnerungen an Impulse vom Montag: überwältigende Größe, überwältigende Schönheit!

Martin Hofmeir stimmt uns beim Morgenimpuls mit einem Leibgebet des Schweizers Anton Rotzetter ein: Weit strecken wir unsere Arme aus in den Morgenhimmel und zur Erde, wir legen sie aufs Herz: Gott ist überall. Wir öffnen die Hände, um Gott zu empfangen, berühren uns an den Händen, um zu teilen. Dann hören wir über den Aufbruch von Abraham im reifen Alter mit der doppelten Verheißung, Segen zu empfangen und zum Segen zu werden.

Heute nehmen wir die Mitarbeitenden in den Einrichtungen der Arenberger Dominikanerinnen mit auf unseren Weg: in Rickenbach, im Kloster Arenberg und in Oberhausen. Wir denken an alle Schwestern und besonders an die Gemeinschaft in Bolivien. Auch Mutter M. Cherubine wollte schon ausziehen, um in der Ferne Segen zu bringen, erfahren wir: Das Leid der Waisenkinder in China hatte sie tief berührt.

Für unsere erste Etappe den Berg hinunter nehmen wir uns vor, in Stille loszulassen, im Schweigen leer zu werden von Worten und Gedanken, um unsere Umgebung aufzunehmen, frei zu werden für neue Eindrücke. Wieder beschenkt uns der Weg mit vielen Naturerfahrungen. Hummeln, Bienen und Schmetterlinge schwärmen durch die Bergblumenwiesen. Die Kühe auf der Weide blicken unserem Pilgerkreuz nach. Den Blick auf die schroffen Gipfel haben wir hinter uns gelassen, wir erreichen sanfte Hügel, satte grüne Weiden, die aussehen wie Samt. Mal wärmt uns die Sonne, dann führt der Weg uns wieder in den bergenden Schatten des Waldes.

Neue Wegschilder begleiten uns: Von hier aus laufen wir auf dem Schwabenweg, einem Abschnitt des Camino, bis zum Bodensee. Die Schweizerinnen erklären uns, dass für sie früher alle jenseits der Grenze Schwaben oder auch Preußen waren. Kurz hinter einer Weggabelung bleiben wir staunend stehen, eine riesige Linde streckt vor uns ihre starken Äste in den Himmel und über den Weg. Wir verweilen und tauschen unsere Gedanken aus, entdecken auf der anderen Seite eine Öffnung im Stamm. Das Loch, die Wunde, hat den Baum nicht geschwächt, sondern ihn offenbar noch stärker wachsen lassen, ein ermutigendes Zeichen. Freies Assoziieren: Der Stamm ist Jesus, drei starke Äste steigen auf - Dominikus in der Mitte, zu seinen Seiten die heilige Katharina von Siena und Mutter M. Cherubine.

 

große Linde

Schon im Heimatkanton von Mutter M. Cherubine in Schwyz an den ersten Tagen konnten wir überall Kapellen besuchen. Heute machen wir Halt in Au in der kleinen Kirche St. Anna. Ein Mädchen bereitet sich hier auf die Firmung vor, erfahren wir am Gemeindebrett: Corinne stellt sich vor und wir lesen, was sie tun würde, wenn Gott ihr begegnete: „Dann würde ich danken für das, was er bis jetzt für uns getan hat.“ Dem können wir uns nur anschließen.

Am Mittag erreichen wir das Kloster Fischingen. Wir nehmen an der Gebetszeit der Benediktiner in der Katharinen-Kapelle teil. Dann halten wir Picknick im Klostergarten. Eine riesige Linde im Zentrum erinnert uns an unsere Baum-Begegnung. Wir essen mitten in einer Blumenwiese. Dann meditieren wir zehn Anregungen für eine Spiritualität des Alters, viel Stoff für die Gespräche auf der nächsten Passage.

 

U.Schwank

Weiter geht es auf dem Schwabenweg. So mancher sehnt sich bald wieder nach einer Pause, da fällt uns an einem ganz normalen Wohnhaus ein handgeschriebener Zettel auf: „Pilger herzlich willkommen“, steht da. Familie Städler bietet Kaffee, Tee, Wasser und Übernachtungen an. Kann man das annehmen? Klar, sagen Einige und wir klopfen hinter dem Haus, wo Kinderspielzeug und -fahrzeuge liegen, an die Tür. Eine freundliche Dame, die heute ihr Enkelkind hütet, bewirtet uns mit Wasser und Sirup.

Ihre Tochter hat beschlossen, alle Pilger bei Bedarf zu versorgen, erklärt sie uns. Ein großzügiges Geschenk. Wir nehmen die Familie mit auf unseren Weg. Die Kleine hat ihre Oma noch gefragt, was wir da tragen. Das Pilgerkreuz ist ein Zeichen für Jesus, erklärt die Oma. Unser Kreuzträger fragt nach: Kennst Du Jesus? Die Kleine nickt entschieden.

Gestärkt gehen wir weiter. Wir werden hier in der Schweiz vielerorts beschenkt. Oft plätschert es am Wegesrand, es gibt viele Quellen und Brunnen: erfrischendes Wasser, uns umsonst geschenkt. Die letzte Wegstecke führt im Schatten entlang an einem Bach. Wir rasten und bekommen noch einmal Impulse zum Segen: Als Gesegnete ein Segen sein. Weitergeben möchten wir hier den kleinen Taschensegen des Jesuiten Thomas Gertler, den er ganz häufig am Tag im Stillen an Menschen verschenkt: „Ich zeichne einfach in meine Handfläche mit meinem Daumen ein Kreuz und sage dazu innerlich: Gott segne Dich.“ Wir Pilger auf dem Weg nach Arenberg sagen: Seien auch Sie alle gesegnet! Wir nehmen Sie mit auf unseren Weg.

Morgen sind wir nochmals mit Abraham und Gen. 15 unterwegs:

Sieh doch zum Himmel hinauf.

 

 

...für den Segen öffnen - selbst Segen sein

Gen 12